2019 - Bilbao und Umgebung

02. Oktober bis 06. Oktober 2019

Star-Architekten brachten die Lebensfreude zurück

Der Ansturm auf die für dieses Jahr geplante Studieneise war mit 54 Teilnehmern groß und hatte die eine oder andere logistische Herausforderung. Angefangen von der Größe des Busses, bis hin zu Restaurants mit ausreichender Anzahl an Sitzplätzen. Am Ende hat alles perfekt funktioniert!

Mittwoch: Anreisetag

Den ersten Eindruck zur neuen Architektur in Bilbao bekommen wir am 2014 von Santiago Calatrava fertiggestellten Flughafen, wo wir uns alle mit großem Hallo begrüßen. Die Fahrt in die Innenstadt eröffnet zunächst nicht allzu vielversprechende Stadtansichten bis man von der Punte la Salve einen ersten Blick auf das Guggenheimuseum erhascht.
Domizil für die 4 Nächte im Baskenland wird das Hotel Melià, entworfen als eines der ersten Hotels nach dem Stadtumbau vom mexikanischen Architekten Ricardo Legorreta. Am Mittwochabend starten nach einer kurzen Begrüßung durch Bernd Oxen alle in kleinen Grüppchen zu einem ersten Schnupperspaziergang in die Altstadt und deren verführerischen typisch baskischen Pintxos-Bars, mit den delikaten Häppchen die auch anspruchsvolle Gaumen glücklich machen.
Mit den Guiding Architects erleben wir ab Donnerstag, drei faszinierende Tage an denen wir mit 2 Gruppen parallel unterwegs sein werden.



Blick vom Hausberg Funicular de Artxanda

Calatrava Brücke und Hochhausensemble von Arata Isizak


Donnertag: Stadtentwicklung in Bilbao

Auf dem Hausberg Funicular de Artxanda, der uns einen grandiosen Blick über das morgendliche Bilbao bietet, erfahren wir zu Beginn des ersten Tages die Hintergründe die zur Umsetzung des heutigen Stadtentwicklungskonzeptes führten.

Bilbao ist bis heute eine wichtige spanische Hafen- und Industriestadt. In den 80ger Jahren war Bilbao ein schmutziger Industriestandort mit einem stinkenden Fluss im Zentrum, kein Tourist hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt dorthin verirrt. Durch das Unwetter 1983 bekam die Stadt die Chance die Stadtentwicklung neu zu denken. Industrieanlagen, der Hafen und die Fluss begleitenden Bahngleise, die das Stadtzentrum prägten, wurden von aus dem Stadtzentrum verbannt. Heute säumt eine weitläufige Promenade den Fluss.
Durch die Errichtung des Guggenheim Museums im Jahr 1997, nach den spektakulären Plänen des US-amerikanischen Architekten Frank Gehry, kam es zu einer fortlaufenden, bis heute andauernden Initialzündung, die zu einem städtebaulichen Kraftakt geführt hat. Mit Hilfe vieler namenhafter Architekten gelang eine deutliche Aufwertung des Stadtbildes, das mittlerweile viele Touristen und Kulturinteressierte anzieht.
Heute werden wir uns diese städtbauliche Entwicklung mit einem 15 km Fußmarsch erarbeiten.
Über die Fußgängerbrüche Zubizuri von Santiago Calatrava gelangen wir zum Tor der Stadt, ein Hochhausensemble von Arata Isizaki, der mit dem Gebäude den Prizker Architekturpreis Jahr 2019 erhielt. Wir sehen den Kongress- und Musikpalast Euskalduna von Palacios y Soriano, den Iberdrola Tower von César Pelli, das Hörsaalgebäude Paraninfo von Alvaro Siza und die Blibliotheca de Deuto von Rafael Moneo und erreichen um die Mittagszeit das ganz besondere Kunstwerk und Wahrzeichne der Stadt, das Guggenheimmuseum
mit dem man unwiderruflich den Begriff Bilbao Effekt verbindet.




Hier nehmen wir uns viel Zeit für das außergewöhnliche Gebäude mit seinen spektakulären Innen- und Außenansichten, die Kunst und im Anschluss für den ersten Aperol und ein kleines Mittagshäppchen.

Weiter geht es mit der Bahn in Richtung Vorstadt / Hafen wo der Stadtumbau begann. Im Stadtteil Barakalso wurde ein 40 ha großer Uferstreifen entlang der Nervion nach Untergang der Schwerindustrie als neuer Stadtteil entwickelt. Auch hier versucht man vom sogenannten Bilbao Effekt zu profitieren.




An der Plaza Pormatxeta in Arakaldo sehen wir die zerklüfteten Passagen, die drei junge Architekten als eine spannende Abfolge multifunktionaler Räume am Übergang zwischen Stadt und Fluss statt einer unspektakulären Bahnüberführung entwarfen. Zu einer wirklichen attraktiven Belebung hat das nach unserem Gefühl jedoch nicht beigetragen.
Nächster Anlaufpunkt ist Hafen von Bilbao und von dort zum Stadtteil Las Arenas mit dem außergewöhnlichen Unseco Weltkulturerbe Puente Colgante, eine von weltweit noch 8 existieren Schwebefähren. Die Hochbrücke wurde 1893 vom baskischen Architekten Alberto Palacio errichtet. Der Übergang über den oben gelegenen Querträger war leider nicht möglich, aber wir nutzen die spektakuläre Fähre um die Uferseiten zu wechseln.

Puente Colgante

Puente Colgante

Station


Für den Rückweg in die Innenstadt erkunden wir bei einigen Zwischenstopps die von Norman Forster konzeptionierten Metrostationen, die seinerzeit ersten fertiggestellten Objekte des neuen Bilbao. Mit Stahl, Glas und Beton setzte Forster die Kernpunkte seines Konzeptes, Einfachheit, Funktionalität und Ästhetik, um. Besonderes Augenmerk galt dem Einfall von Tageslicht und der schellen barrierefreien Erreichbarkeit.

Ziemlich geschafft erreichen wir nach einem kleinen Zwischenstopp am Stadion, entworfen vom Großbüro ACXT gegen 19:30 das Hotel und starten eine Stunde später zum gemeinsamen, etwas turbulenten Abendessen.

Freitag: Erkundung der „grünen Hauptstadt“ Vitoria Gasteitz

Nach kleinen Frühstückshindernissen und bei Nieselregen , machen wir uns früh auf den Weg Richtung Vitoria Gasteitz, zur „grünen Hauptstadt“ Europas.
Die Vergabekriterien für diesen Titel waren: Umweltschutz, wirtschaftliches Wachstum und Lebensqualität der Einwohner/innen auf besondere Weise zu verbinden.
Den Preis erhielt die Stadt 2012 wegen des konsequent umgesetzten Stadtentwicklungskonzeptes. Mit einem erfolgreichen Mobilitätskonzept wurde eine überzeugende Verkehrswende erreicht. Man hat es geschafft, den Autoverkehr zu reduzieren, den fußläufigen Verkehr um 77% zu steigern und trotz aller Befürchtungen und Kritiken das Stadtzentrum neu zu beleben und den Leerständen entgegenzuwirken. Es wurden Blockstrukturen festgelegt, in denen nur die Blockränder als Hauptstraßen nutzbar sind, alle Innenbereiche sind in Tempo 30 Zonen umgewandelt. Radwege wurden großflächig ausgebaut und Grün- und Erholungsflächen in den Randbezirken großzügig erweitert. Tatsächlich hat die Stadt einen „grünen Ring“ vorzuweisen, der aus halbnatürlichen Parks besteht, die untereinander verbunden sind und von der UNO ausgezeichnet wurden.
Für Interessierte: Grüne Stadt für Menschen

Unser Rundgang durch die Altstadt. mit dem am besten erhaltenen mittelalterlichen Zentrum aller baskischen Städte und seiner beeindruckenden Architektur der Renaissance, beginnt am Museum für Archeologie und Spielkarten, das vom spanischen Architekten Patxi Manago saniert und erweitert wurde.





Auf dem höchsten Punkt der Stadt erhebt sich die Kathedrale Santa María, auch Alte Kathedrale genannt, ein beeindruckendes gotisches Gotteshaus, dessen Bau im 13. Jahrhundert begann. Auf dem weiteren Rundgang stoßen wir auf verschiedene Paläste der Renaisansse.
Um die höher gelegene Altstadt barrierefrei erreichen zu können wurden parallel zu den alten Treppen Rolltreppenanlagen errichtet. Mit den Überdachungen der Rolltreppen, welche zum Kern der Altstadt hinaufführen, ist den Architekten Ercilla und Campo ein attraktiver Kunstgriff gelungen.






Über die gotische Säulenhalle San Miguel gelangen wir nach einem sehr informativen Rundgang durch die Altstadt zum Komplex Los Arquillos, einer Promenade mit Säulengang, die vom Altstadtkern in die Neustadt aus dem 19. Jahrhundert führt. Hier erfahren wir Hintergründe zur Plaza Nueva, Plaza de la Virgen Blanca und Plaza de los Fueros.


Plaza Nueva




Gasteiz ist auch bekannt als Graffiti-Stadt, seit Jahren werden viele öffentliche und private Häuser mit großflächigen Graffitis versehen, auch in der Innen- und Altstadt.
Nach einem außergewöhnlichen Mittagessen im hervorragenden Restaurante Zabala erkunden wir die Außenbereiche Vitorias.

Stadtteilzentrum Centro Civico

Stadtteilzentrum Centro Civico



Im neuen Stadtteil Salburua, der seit einigen Jahren östlich der Innenstadt entsteht, haben wir Gelegenheit einen Blick in das überzeugende Stadtteilzentrum, das Centro Cívico zu werfen. Kombiniert wurden hier nicht nur Versammlungs- und Ausstellungsräume, sondern auch ein Café und weitere Flächen für (sozio)kulturelle Nutzungen wie Ateliers und Werkstätten, eine Bibliothek, ein Konferenzsaal und eine Sporthalle samt Schwimmbad.






Auf dem Weg dorthin machen wir einen Zwischenstopp am zeitgenössische Ataria Interpretation Center einem Zentrum für Feuchtgebiete und ein Naturkundemuseum. Der Enwurf stammt von QVE Arquitectos aus Madrid. Es wurde 2008 in die engere Wahl für das World Architecture Festival und 2009 für den "Mies Arch Award" nominiert. Der Bau gilt als einzigartig, da sich das Gebäude über die Feuchtgebiete erstreckt. Schon im ersten Betriebsjahr wurden 100.000 Besucher im Zentrum verzeichnet.
Das hervorragende Mittagessen macht ein Abendessen überflüssig. Wir nutzen dennoch die Gelegenheit den Abend in wunderbaren Pintxo Bars zu verbringen, im Besonderen im Café Iruña, dessen Interieur aus dem Jahre 1903 vollständig erhalten ist.








Samstag : Wein und Architektur in der Rioja


Auch das weltbekannte Weinanbaugebiet Rioja profitiert von der architektonischen Erneuerung der nachbarschaftlichen Städten Vitoria Gasteiz und Bilbao. Architektur wird auch hier zum Anziehungspunkt nicht nur für Weininteressierte.

Eingebettet in die hügelige Landschaft Nordspaniens erreichen wir als erstes das Weingut von Campo Viejo mit der Bodega Alcorta Logrono, die im Jahre 2001 nach den Plänen des spanischen Architekten Ignacio Quemada, errichtet wurde. Angepasst an die Topografie des Ortes, schmiegt sich das mehrstöckige, größtenteils unterirdisch Gebäude in den Hang.
Verteilt auf mehrere Stockwerke befinden sich hier Tür an Tür die Produktionsstätten, Labore und riesigen Weinkeller. Von der Bodega aus arbeiten wir uns mit unserem Guide langsam in die unterirdischen Geschosse vor. Wir gelangen zuerst in das hauseigene Museum, welches die Geschichte und lange Weintradition mit großen Bildern an den Wänden dokumentiert. Getrennt durch handwerklich beeindruckende ca. 6 m hohe gigantische Türen aus massivem Eichenholz, liegt dahinter die eigentliche Weinproduktion. Die Räume und Verkehrsflächen sind architektonisch großzügig gestaltet Unser Rundgang führt uns durch die von Edelstahltanks dominierte Produktion und endet im nur sehr spärlich beleuchteten unterirdischen (Barrique)sehr eindrucksvollen Weinlager. Völlig unerwartet wird diese introvertierte Raumsituation durch eine sich hebende Verdunkelung an einer Kopfseite des Lagerraumes aufgehoben und gibt eine fantastischen Blick in die Landschaft frei.
Nach der Führung haben wir Gelegenheit die außergewöhnlichen Weine in der Bodega zu kosten und auch dort die Weite der Landschaft zu genießen.



Weinlager Weingut Campo Viejo



Eine kurze Zwischenstation machen wir bei der von Santiago Calatrava entworfenen Bodega Ysios in Laguardia, eine Komposition aus Holz und Metall, die die Silhouette der dahinterliegenden Berge aufnimmt.

Bodega Ysios

Bodega Ysios

Bodega Ysios



Als Kontrastpunkt zur Bodega Alcorta Logrono besichtigen wir anschließend die komplett neu gebaute Bodega Baigorriin Samaniego, entworfen vom baskischen Architekt Iñaki Aspiazu. Beim Betreten der Halle eröffnen sich spektakuläre Blicke aus der modernen Architektur in die sanfte hügelige Landschaft. Eine Führung bringt uns die sechs Etagen der Produktion, die sich im Weinhügel verbergen, näher. Nicht einmal Pumpen werden für die Abläufe der Produktion benötigt, denn die Produktion folgt der ausschließlich der Schwerkraft. Nach unserem geführten Besuch erhalten wir im untersten Geschoss eine wunderbare kulinarische Stärkung mit einer Weinverkostung. Auch hier präsentiert sich ein atemberaubender Blick in die Weite der Landschaft.

Bodega Baigorriin

Bodega Baigorriin

Bodega Baigorriin


Auf das von Frank Gehry entworfenen Hotel und Weingut Marques de Riscal werfen wir lediglich einen Blick von außen. Beeindruckend erhebt sich das Kunstwerk aus geschwungenen farbigen Titanbändern in die Weinlandschaft.
Unsere letzte Station im Rioja führt uns zur Bodegas Lopez de Heredia Vina Tondonia, die von der Architektin Zaha Hadid konzipiert wurde.

Der Besucherpavillion wurde als bewegliches Gebäude entwickelt und zur 25-Jahrfeier der Bodega auf der Alimentaria-Messe 2002 in Barcelona errichtet und beherbergt den Messestand der Ausstellung in Brüssel von Anfang des 20. Jh.
Hier haben wie Zeit für einen Rundgang, Einblicke in die Architektur, Fotos und Einkäufe.

Bodegas Lopez

Bodegas Lopez

Bodegas Lopez


Zurück in Bilbao nehmen wir unser letztes gemeinsames Abendessen an der sehr belebten Plaza Nueva/Plaza Barria im Restaurante Víctor jatetxea.

Am Abreisetag ist uns klar, dass die meisten von uns sich für das erste Date mit dieser wunderbaren Region viel zu wenig Zeit genommen haben. Einige waren so weitsichtig einen Urlaub vor- oder nachzulagern.
Nicht nur die Architektur und die Landschaft sondern auch die kraftvolle Lebendigkeit abends auf den Plätzen und in den Bars hat uns vereinnahmt, berührt, entspannt und auf ein Wiedersehen neugierig gemacht.